Discussion About Reinstatement of General Conscription or Official Duty in Germany
Abstract – Since July 2011 the general conscription in Germany is suspended. During the summertime the discussion came up weather to reinstate the general conscription or introduce an official duty for all young citizens. The mandatory duty is supposed to increase the social responsibility of the youth. There are severe judicial challenges for such an introduction as there are conflicts with the German constitutional law.
The original article is available hereunder and here. For more information, please contact the DBwV.
Ein Zwischenruf zur Wehrpflichtdebatte
Es war so sicher wie das Amen in der Kirche: Die Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist als Thema im Sommerloch ziemlich gut geeignet.
Die Euphorie der Befürworter der Aussetzung der Wehrpflicht war getrieben von Einspargedanken – geringerer Bedarf an Ausbildern, geringerer Bedarf in der Verwaltung. Finanzierbarkeit und Demographiefestigkeit war bei einer Zahl von 175.000 Soldatinnen und Soldaten (BS/SaZ/Res) das Maß der Dinge gemessen an einer optimistischen sicherheitspolitischen Lagebewertung. Und nicht zu vergessen: Die damals ohne Zweifel nicht bestehende Wehrgerechtigkeit wurde ebenfalls als starkes Argument gegen die Wehrpflicht gezogen.
Das Problem, bereits damals erkennbar, ist heute überdeutlich: Es gab keine gedankliche Vorsorge für einen Fall, dass die Wehrpflicht wieder aufleben müsste. Es wurde weder ein sicherheitspolitisches Szenario beschrieben, das zu einer Wiedereinführung (Aufhebung der Aussetzung) führen sollte, noch wurde Vorsorge getroffen hinsichtlich der Strukturen und der materiellen Voraussetzungen (Infrastruktur für Unterbringung/Ausbildung/Betreuung/Ausrüstung) die eine Wiedereinführung in einem definierten Zeitrahmen ermöglichen könnte.
Wer die Wiedereinführung fordert, muss sich neben dem „Ob“ auch mit dem „Wie“ beschäftigen. Wer das „Wie“ nicht klärt, muss sich mit dem „Ob“ nicht beschäftigen. Und zum „Wie“ gehört: Woher die Ausbilder? Woher die Infrastruktur? Woher das Wehrersatzwesen? Woher die Ausrüstung? Wann kann das zur Verfügung stehen? Welche Finanzmittel wird das alles binden? Fest steht: Die Bundeswehr hat in den letzten Jahren gemäß politischer Vorgaben so gut wie alle Strukturen einer Wehrpflichtarmee aufgelöst. Diese wieder herzustellen, bedürfte politischer, planerischer, personeller und auch finanzieller Anstrengungen, deren Ausmaß niemand bisher nennen konnte – oder wollte.
Und nun zum „Ob“. Welche Defizite sollen durch die Wiedereinführung einer einjährigen Wehrpflicht bei der Bundeswehr gedeckt werden? Bei Mannschaften gibt es keine Defizite. Dort können alle Dienstposten besetzt werden.
Die Defizite in der Nachwuchsgewinnung für Führungspersonal decken, indem während der Wehrpflichtzeit die Lust an einer Führungsverwendung geweckt wird? Ist dafür der Aufwand gerechtfertigt? Woher kommt dieser Optimismus, dass der Bedarf aus einem Potenzial von Wehrpflichtigen gedeckt wird, wenn es heute nicht gelingt, aus den FWDL das benötigte Führungspersonal zu gewinnen?
Ich kann mir aus Gründen gesellschaftspolitischer Herausforderungen die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht vorstellen – gleich ob verpflichtend oder freiwillig mit Anreizen durch Vorteile hinsichtlich Ausbildung oder verbesserter sozialer Vorsorge und Absicherung. Die Frage, wie eine solche Dienstpflicht rechtlich überhaupt abgebildet werden soll, lasse ich zunächst einmal dahingestellt.
Aber der Ausgangpunkt einer solchen Diskussion darf nicht die Wehrpflicht sein. Viel mehr gilt es, die gesellschaftspolitische Frage zu beantworten: Wie geben wir jungen Menschen nach der Schulausbildung die Chance, sich eine bestimmte Zeit für das Gemeinwohl einzusetzen und weitere soziale Kompetenzen zu entwickeln? Dabei kann die Ableistung der Wehrpflicht eine von vielen Möglichkeiten sein. Aber auch dann gilt es, Aufwand und Nutzen für die Bundeswehr abzuwägen.
Es bleibt eine weitere Frage: Sind Nebeneffekte berücksichtigt worden? Die Schulzeit wurde verkürzt, um die jungen Menschen schneller in den Arbeitsprozess zu bringen. Durch die Einführung einer Dienstpflicht wird der Zugang zum Arbeitsmarkt um ein Jahr verschoben. Wie stehen wirtschaftliche Interessen in Konkurrenz zu gesellschaftspolitischen Herausforderungen? Gibt es Ausnahmen von der Dienstpflicht (Migranten, gesundheitliche Einschränkungen oder bestimmte Studiengänge, bei denen anderweitig ein hoher Bedarf besteht)?
Wenn politisch gewollt, wird es für diese Fragen Antworten und kluge Lösungen geben. Aber man sollte vorher daran denken, bevor vereinfachend nach Lösungen mit Blick auf die Bundeswehr geschaut wird. Diese Fragen sind von allen zu beantworten, gleich mit welchem Beweggrund die Diskussion geführt wird – weil es im Partei-/Wahlprogramm steht, weil Rekrutierungsprobleme gelöst werden sollen, weil gesellschaftspolitische Herausforderungen angegangen werden müssen oder weil man Konkurrenten ein Themenfeld nicht allein überlassen will.
Wenn die Diskussion im Sommerloch einen Sinn haben soll, dann den, auszuloten, ob überhaupt die Bereitschaft zu einer solchen Diskussion in Partei und Gesellschaft besteht. Ich denke, dieser Ansatz ist nicht verwerflich und sinnvoll, denn ein Merkmal von Demokratie ist, ergebnisoffene Diskussionen in der Sache zuzulassen. Deshalb sind schnell eingenommene Abwehrhaltungen in diesem demokratischen Diskussionsprozess auch nicht wirklich hilfreich.
Wenn es um die Bundeswehr geht, so sind zunächst einmal alle möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um sie in ihrem heutigen Zuschnitt einsatzbereit zu machen. Und dazu bedarf es viel mehr als nur einer Sommerlochdebatte um die Wehrpflicht.